Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur

Herr Muhammed Elemenler, Ref-WS 25

Postfach 20 01 00

53170 Bonn

Per E-Mail: Nordsee-Befahrensverordnung@bmvi.bund.de

 

Sehr geehrter Herr Elemenler,

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

im Folgenden erhalten Sie eine Stellungnahme der „Skippergemeinschaft der Dauerlieger im

Museumshafen Carolinensiel“ zum Referentenentwurf "Verordnung über das Befahren der

Bundeswasserstraßen in Nationalparken im Bereich der Nordsee (Nordsee - Befahrenversordnung -

NordSBefV)" vom 15.08.2021.

Die anhörungsberechtigten Verbände und Organisationen wurden ja seitens des Bundesministerium

für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) um eine Stellungnahme bis zum 13. September

2021 gebeten.

Auch wenn wir aufgrund fehlender Organisationsform nicht zu dem Kreis der direkt

Anhörungsberechtigten zählen, möchten wir einige aus unserer Sicht wichtige Anmerkungen

einbringen, die im Abstimmungsprozess dringend berücksichtigt werden sollten.

Zumal wir im Referentenentwurf auch einen gravierenden Tourismusnachteil zum EU-Nachbarland

Niederlande sehen.

Daher möchten wir Sie bitten, unser Anliegen an den entsprechenden politischen Stellen

einzubringen, mit der Zielsetzung, den aktuellen Referentenentwurf entsprechend anzupassen.

Erforderliche Anpassungen der Verordnung

1. Zusätzliche Bereiche zum Ankern/Trockenfallen und Ausstiegsmöglichkeiten im Wangerooger

Watt, im Bereich des Wattaufgangs , der Platz sollte im Idealfall groß genug sein, um auch

unterschiedliche Tiefgänge zu berücksichtigen; Konkret benötigen wir einen Platz zum

Trockenfallen direkt nordöstlich im Schutz des Hafens.

2. Zusätzliche Bereiche zum Ankern/Trockenfallen und Ausstiegsmöglichkeiten im Spiekerooger

Watt, im Bereich des Wattaufgangs, der Platz sollte im Idealfall groß genug sein, um auch

unterschiedliche Tiefgänge zu berücksichtigen. Wir bitten, im Bereich östlich des Hafens bis

südlich der Lietzschule Ankern und Trockenfallen wie bisher zu ermöglichen.

3. Wir bitten nachdrücklich darum, das neue Schutzgebiet südlich der Harle queren zu dürfen.

Dies ist aus Sicherheitsgründen erforderlich um das bei harten Winden gefährliche Seegat zu

meiden. Wir wollen z.B. von der Telegrafenbalje auf dem Direktweg über die Martensplate

zur alten Harle fahren können, so wie das bisher auch möglich und sinnvoll ist. Der Umweg

über das Seegat ist für flach gehende Segelschiffe in keinster Weise hinnehmbar,

seemännisch unsinnig und gefährlich.

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Begründungen

zu 1. Das Trockenfallen dient nur zu einem Teil dem in dem Entwurf (zu §6 / zu Absatz 3/ zu Nummer

1) erwähnten unmittelbaren Naturerlebnis. Die Häfen bieten unserer traditionellen Segelschiffflotte

insbesondere den größeren traditionellen Schiffen (zwischen 15 und 25 Metern Schiffslänge)

aufgrund ihrer anderweitigen Ausrichtung oftmals keinen Platz, so dass ein sicheres Ankern

außerhalb der Fahrrinne nur auf dem Watt möglich ist und woraus bei abnehmender Tide

zwangsläufig auch ein Trockenfallen resultiert.

Im Wangerooger Hafen stellt sich die Situation gerade für die großen, traditionellen Schiffe

besonders schwierig dar. Im Moment ist der gesamte Bereich der Kaje aufgrund der aktuellen

Küstenschutzbaumaßnahmen und dem damit verbundenen Werks-Schiffsverkehr seitens des

Hafenbetreibers NPorts auch für Schiffe über 16 Meter bis auf weiteres gesperrt. Eine

Liegeplatzmöglichkeit z.B. für einen 20 m langen, traditionellen Gaffelsegler an den Stegen im kleinen

Sportboothafen des Wangerooger Yachtclubs e.V. ist nicht vorhanden. Es gibt im gesamten Hafen

von Wangerooge somit derzeit nur eine einzige Liegeplatzmöglichkeit für große, traditionelle

Segelschiffe (am nördlichen Steg zwischen NPort Hafenbereich und Yachthafen).

Die Situation in sämtlichen Wattenhäfen wird sich auch durch die Verordnung absehbar noch weiter

zu unseren Ungunsten verschärfen. Zudem ist für alle unserer Segelschiffe aufgrund der besonderen

Bauweise eine sichere Hafeneinfahrt oftmals bei schwierigen Wetter- bzw. Wellenverhältnissen nicht

möglich.

Der verantwortliche Schiffsführer darf unseres Erachtens in solch problematischen Situationen nicht

noch in die Überlegung gezwungen werden, ob er durch die Wattauffahrt (= Trockenfallen) ein

Bußgeldverfahren riskiert. Dies sollte daher grundsätzlich an einem zusätzlichen in der Verordnung

aufgeführten Ankerplatz im Wangerooger Watt neben dem Hafen und nicht erst am Ostende der

Insel möglich sein, da dieser oftmals auch in einer Tide gar nicht mehr zu erreichen ist.

Dies ist aus unserer Sicht auch verhältnismäßig vor dem Hintergrund, dass wir die Störung der

natürlichen Vorgänge aus unseren langjährigen Beobachtungen heraus bei weitem nicht teilen

können, wie sie im Entwurf dargestellt sind. Einen Hinweis auf eine entsprechende Untersuchung

bzw. Studie findet sich leider nicht. Im Gegenteil sehen wir durch den Entwurf unverhältnismäßige

Härten und Auswirkungen für die Schiffseigner und den infolge dessen betroffenen Betrieb des

Museumshafens Carolinensiel.

Zu 2. Es gilt analog die Argumentation, wie zu 1. Die Spiekerooger Lagune ist nur bei wenigen

Wetterlagen mit geringem Risiko für unsere Segelschiffe zugänglich und bietet daher keine

verlässliche Alternative zum Hafen. Durch den neuen Rettungssteg im Spiekerooger Hafen ist zudem

ein ganzer Liegeplatz für die großen, traditionellen Segelschiffe an der Süd-/Ostecke der Kaje

ersatzlos weggefallen. Liegeplatzmöglichkeiten für große, traditionelle Segelschiffe an den

Schwimmstegen im Sportboothafen des Spiekerooger Segelclubs e.V. sind nicht vorhanden.

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Erläuterungen (Schiffe, Museumshafen, Trockenfallen)

Die Flotte der Skippergemeinschaft Museumshafen Carolinensiel besteht aus historischen Platt- und

Rundboden-Segelschiffen sowie deren traditionellen Nachbauten (Ewer, Barge, Kutter, Tjalk,

Schokker, Lemsteraak, Hoogaars, Zeeschouw, Staverse Jol), welche zum Großteil ganz speziell für das

Befahren des geschützten Wattenmeeres hinreichend sicher konzipiert sind aber oft nicht für das

Befahren der offene Nordsee oder der Seegats geeignet sind.

Diese traditionelle Segelschiffs-Flotte bestimmt wesentlich das Bild des darauf ausgerichteten

Museumshafens mit Sielhafenmuseum, Restaurants, Cafés sowie touristischen Veranstaltungen wie

WattenSail, Hafenfest, Stadtfest, Straßenfest, Weihnachtsmarkt, etc. Vor dem Hintergrund der

touristischen Ausrichtung des Ortes Carolinensiel bestehen vielfältige Abhängigkeiten zwischen allen

Beteiligten, woraus eine hohe wechselseitige Verantwortung resultiert.

Die Schiffe sind fast ausschließlich in privater Hand der Eigner und werden von ihnen mit teilweise

erheblichem Aufwand erhalten. Zwei traditionelle Segelschiffe sind mit entsprechenden

Schiffssicherheitszeugnissen der BG-Verkehr ausgestattet und fahren in Kooperation mit dem

Nationalparkhaus Carolinensiel auch Touren mit Gästen. Diese deutlichen Beiträge zum touristischen

Erfolg des Ortes ist häufiger Diskussionspunkt unter den Eignern, und die Möglichkeit des Befahrens

des Wattenmeeres mit der Möglichkeit des Trockenfallens ist für viele unter ihnen eine gewichtige

Motivation, diesen Beitrag auch weiterhin zu leisten. Bevorzugte Wochenend-Reiseziele sind die

Inseln Wangerooge und Spiekeroog, für längere Ausflüge auch weiter entfernte Ziele im

Wattenmeer.

Traditionelle Schifffahrt ist also ein wichtiger Anziehungspunkt und wirtschaftlich bedeutsamer

Bestandteil in den Sielorten; aber immer weiter gehende Auflagen und nun auch noch die mit der

neuen Befahrensverordnung verbundenen Einschränkungen machen den Erhalt der pittoresken

Schiffe immer schwerer.

Der Vorgang des Trockenfallens erfolgt zunächst durch langsames Auffahren auf das Hochwatt zum

Aufsuchen eines geeigneten Ankerplatzes bei ausreichendem Wasserstand um das

unvorhergesehene Festkommen zu vermeiden. Ein Anfahren gefährdeter Tierarten, wie etwa einer

Robbe oder einem Seevogel bei diesem Vorgang ist uns bis heute nicht bekannt. Ebenso ist bei

diesem Vorgehen das Erreichen von Salzwiesen mit dem Tiefgang unserer Schiffe nicht möglich, der

entsprechende Hinweis in dem Entwurf somit obsolet. Es wird i.d.R. ein hinreichend tiefer Platz

aufgesucht, der ein problemloses Aufschwimmen bei der nächsten Flut sicherstellt (Sicherheiten

eingerechnet bei unterschiedlich ausfallenden Fluten). Nach Ankerlegung und Abfließen des Wassers

setzt das Schiff in der Regel sanft auf (auch höherer Wellengang verläuft sich bei abnehmendem

Wasserstand). Während der Trockenphase erleben wir regelmäßig, dass die Tierwelt gar nicht so

einen großen Bogen um unsere Schiffe macht. Es kommt vor, dass Robben plötzlich unweit des

Schiffs liegen, wo sie vorher nicht lagen, Vögel bis an das Schiff heran laufen, etc.

Die geplanten weiteren Trockenfallbeschränkung sind nicht nachvollziehbar. Nahezu täglich wandern

auf allen Watteninseln und von jedem einzelnen Küstenort aus große Gruppen von Menschen

entweder individuell oder im Rahmen von geführten Wattwanderungen weite Strecken durchs Watt

- aber ein einzelner Segler, dessen meist sehr kleine Crew evtl. Im Umkreis von 50 Metern vom Schiff

den Wattboden betritt soll reglementiert werden. Das ist sachlich nicht nachvollziehbar. Wir bitten

zu prüfen, ob Boote an diesen häufig von Wattwanderern frequentierten Stellen (die bekannt sind)

grundsätzlich ebenfalls trocken fallen dürfen.

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Die angestammten, traditionellen Trockenfallplätze in Lee aller Watteninseln müssen dringend

erhalten bleiben.

Es müssen die traditionellen "Reeden" berücksichtigt werden, wo sich traditionelle Segelboote unter

den Insel im Watt seit Jahrhunderten trocken fallen lassen, wenn sie keinen Platz mehr in den

allesamt recht kleinen Inselhäfen finden oder die Ansteuerung eines Watteninselhafen aufgrund von

Wind- und Wetterverhältnissen seemännisch nicht verantwortbar ist (z.B. Borkumer Hopp, Juister

Bill, Norderney südlich des Leuchturms, Baltrum neben dem Hafen, Langeoog östlich des Hafens,

Spiekeroog östlich des Hafens bis zur Lietzschule, Wangerooge nordöstlich des Hafens und vor dem

Ort).

Gerade für die teilweise nicht voll seetauglichen, traditionellen und reviertypischen kleinen

Plattbodenschiffe (Zeeschouw, Zeeuwse Schouw, Grundel, Schokker, Zeeschouw, Hoogaars,

Staverse Jol, Lemsteraak , kleine Tjalken, etc.) aber auch für flachgehende Sportboote wie z.B.

Jollenkreuzer, Kimmkieler, Kielschwerter, Hubkieler, etc. muss die Sicherheit und Leichtigkeit des

Verkehrs im Wattenmeer gewährleistet sein. Dazu zählt auch die Möglichkeit, sich in Lee der Inseln

oder auch vor der Festlandküste sowie auf den Wattenhochs oder in Prielen und Baljen Schutz vor

Wind und hohen sich brechenden Wellen zu suchen.

Es gab im Niedersächsischen Wattenmeer in den letzten Jahren keine Unfälle mit Seglern, die sich

negativ auf das Ökosystem ausgewirkt haben. Der einzig bekannte, jüngste Unfall in dieser Hinsicht

war ein Absturz eines Kleinflugzeugs vor Norderney.

Seehunde oder Vögel fühlen sich durch langsam segelnde Segelboote nicht gestört und die Tiere

weichen den langsam fahrenden Seglern nicht aus. Es gibt keinerlei Belege, dass Segelboote im Watt

Störungen verursachen, die die Tiere veranlassen würden ein Gebiet zu verlassen oder gar dauerhaft

zu meiden. Durch ein über einen begrenzten Zeitraum trockenfallendes, traditionelles Plattboden-

Segelboot entstehen keine Schädigungen und keine Störungen für den Wattboden.

 

Carolinensiel, den 11. September 2021

 

Gezeichnet

Skippergemeinschaft der Dauerlieger im Museumshafen Carolinensiel

Museumshafen

26409 Carolinensiel

vertreten durch den Skipperrat

(namentlich Eckhard Janßen, Herbert Marx und Markus Seebich)